Zum 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann
Es wird ja gerne mal von der „Ironie des Schicksals“
gesprochen oder, um es mit Depeche Mode zu sagen, dass Gott einen „sick sense of
humor“ hat. Da könnte was dran sein. Warum sonst trifft verstorbene Autor*innen
mit schöner Regelmäßigkeit der Fluch, dass genau jene Orte, an welchen ihnen
besonders übel mitgespielt wurde oder die ihnen verhasst waren, es sich hartnäckig
zur Aufgabe machen, ihr Andenken in besonderer Weise zu wahren, hochzuhalten,
und, ja, auch medienwirksam oder monetär auszuschlachten? Während ich diese
Zeilen schreibe, findet der alljährliche Wettbewerb „Tage der deutschsprachigen
Literatur“ in Klagenfurt statt, vereinfacht Bachmann-Preis genannt. Oder auch „das
Wacken des Literaturbetriebs“ wie ich gerade bei Twitter las. Es beinhaltet durchaus
einiges an maliziösem Humor, dieses öffentliche Lesen und genüssliche
Aburteilen und Hinrichten von Autor*innen ausgerechnet nach Ingeborg Bachmann benannt
zu haben, die ja bekanntlich beim Lesen vor der Gruppe 47 mit brüchiger Stimme diversen
Ohnmachten nahe war. Und die zu ihrer Kärntner Heimatstadt absolut kein gutes
Verhältnis hatte. Ähnlich erging es dem heute vor 200 Jahren verstorbenen
E.T.A. Hoffmann mit Bamberg, in dem er seine wohl qualvollsten Jahre verbrachte
und von wo aus man ihn mit Schimpf und Schande verjagte: E.T.A. Hoffmann-Haus, E.T.A.
Hoffmann-Theater, E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft und sogar ein zum Jubiläum
gebrautes E.T.A. Hoffmann-Bier. „Mahrs Bräu E.T.A., Dunkles Lager.“ Dunkel, in
der Tat. Finster. Armer E.T.A., der du Bier nachweislich als das „geistloseste
Getränk der Welt“ erachtet hast! Wein, Punsch und Sekt, das waren deine hochgeschätzten
alkoholischen Sünden. Der Legende nach geht ja sogar die Bezeichnung „Sekt“ für
Schaumwein auf eine Begebenheit mit dir und dem Schauspieler Mattausch im
Berliner „Lutter & Wegner“ zurück. Aber Schaumschwamm drüber. Wer tot ist,
kann sich nicht mehr wehren. Und ähnlich wie der Umstand, dass Geschichte von
den Siegern erzählt wird, entscheidet bei Autor*innen posthum die Allgemeinheit
darüber, ob und wie es um den Nachruhm bestellt ist. E.T.A. Hoffmann hatte man
in Deutschland nach seinem Tod über achtzig Jahre lang quasi vergessen, während
seine Werke in anderen Ländern, etwa in Frankreich, als Übersetzungen sehr erfolgreich
und einflussreich waren. Hierzulande musste schon jemand wie Thomas Mann
Bewunderung für Hoffmann aussprechen, bevor sich Interesse regte. Und auch das …
mal ehrlich: Gespenster-Hoffmann bleibt Gespenster-Hoffmann, oder? Das ungeliebte
Schmuddelkind des deutschsprachigen Literaturkanons bis heute. Aber ich
schweife ab. ‘Tschuldigung. Ich werde immer so emotional bei Hoffmann.
Bin halt ein Fangirl. Anlässlich des 200. Todestages wurde ich hin und wieder
gefragt, was mir an Hoffmann so gut gefällt. Das Rauschhafte und Mäandernde. Das
Fabulieren, bis die Schwarte kracht. Der Schalk im Nacken. Stimmt alles. Aber
da ist noch etwas: Hoffmanns Liebe galt, zumindest soweit ich es verstehe, zuvörderst
der Musik. Kapellmeister, Komponist, das wollte er sein. Eine einseitige Liebe.
Eine, die nie erwidert wurde. Da mochte er seinen dritten Vornamen Wilhelm in
Amadeus ändern, die Schicksalsgöttinnen kicherten boshaft bei jeder seiner
gigantischen Anstrengungen, die schlussendlich alle ins Leere führten. Ich stelle
mir vor, wie Hoffmann im Gegensatz zu seinen bleischweren musikalischen Misserfolgen
beim Schreiben wie im Superflow loslassen konnte. Er schrieb schnell und
fantastisch, schoss aus der Hüfte und traf immer. Mir gefällt das. Nicht aus
Mitleid mit dem ewigen Pechvogel, sondern weil es zeigt, wie wenig dran ist an
diesem ganzen Motivationsgeschwätz, dass jede*r ein gestecktes Ziel erreichen
kann, wenn er/sie es nur fest genug versucht. Das stimmt nämlich nicht.
Manchmal hat das Leben anderes mit uns vor. Das, was wir uns am meisten
wünschen, bleibt unerfüllt, anderes fliegt uns einfach durch die Hintertür zu,
ohne dass wir uns bemühen müssen. Ich weiß nicht warum, aber dieser Gedanke sagt
mir zu. Weil er bedeutet, dass nichts festgeschrieben steht, dass Wege
verschlungen sind und sich Glück an absonderlichen Orten einstellen kann. Das
von mir gescholtene dummbienenstockartige „Kollektiv“, das posthum mit Autor*innen
macht, was es will, ist ja zum Glück für den/die einzelne*n egal. Jede*r, also
auch ich, darf sich ein Bild vom hochgeschätzten Idol machen und im Herzen
tragen. Gut, gell? Ich musste das bloß ein bisschen überbetonen, weil sonst die
Borg in „E.T.A., I.N.A., I.N.G.E. & B.O.R.G“ gefehlt hätten. In diesem Sinne: Resistance is
futile. Lest E.T.A. Hoffmann! In diesem Jahr oder in einem anderen der 200
folgenden.
So ein schöner Text! Also, let's go, machen wir mit ihm was wir wollen! Das mit dem Sekt muss ich gleich mal nachrecherchieren, die Anekdote ist mir unbekannt ...
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