Donnerstag, 17. Dezember 2020

Klub Tropikal

 

Ich weiß, was ich letzten Sommer getan habe




„Bücher lassen uns reisen, wenn wir verharren müssen“ - so lautet ein im letzten Jahr häufig beschworener Sinnspruch, der nicht wenigen zum Mantra wurde. Auch für mich war dieses eigenartige, sich nun dem Ende neigende Jahr eines der Reiseabstinenz. Und wenn Lesen wie Reisen im Kopf ist, gilt dasselbe wohl in ähnlicher Weise fürs Schreiben: Erst im Nachhinein – das Unterbewusstsein ist echt ein Schlawiner! – ging mir auf, dass ich im Sommer vermutlich nicht ohne Grund „Klub Tropikal“ geschrieben habe, ein Büchlein, dessen Handlung sich auf einer touristisch erschlossenen Mittelmeerinsel zuträgt. Und selbst wenn dieser Klub mit Sicherheit keiner ist, der zu lauschigem Aufenthalt einlädt, steckt doch mehr als Schaudern und Familientragödie darin, nämlich ein Hauch von Fernweh, aber auch ein gewisser Nachhall von Vergangenem sowie ein anderes Erleben von Zeit, die für mich dieses Jahr, speziell den Sommer, in der Rückschau charakterisieren.

 Es gibt kluge und gelassene Menschen, die mit weisem Lächeln verkünden, dass manche Dinge genau dann kommen, wenn sie passieren sollen. Ob’s immer stimmt, weiß ich nicht, wohl aber trifft es auf die Werdung von „Klub Tropikal“ zu. Ideen und Versatzstücke der Handlung hatte ich schon länger im Kopf, fand aber nie den Dreh, sie zu verbinden und umzusetzen. Für eine Kurzgeschichte war der Stoff zu üppig, einen Roman wollte ich nicht daraus machen, weil ich fand, dass jede längere Ausführung zu einer Übererklärung geführt hätte, die den Ton des Zweifelhaften und Instabilen erdrückt hätte. Was für ein Glück also, als Sascha Lubenow mich fragte, ob ich Lust hätte, einen Beitrag für die Appetizer-Reihe im KOVD-Verlag zu schreiben. Hatte ich! Eine knackige Novelle war genau das Format, das der Klub brauchte, um von der Idee zum Buch zu werden. Raum und Freiheit für so ein unerwartetes und experimentelles Projekt zu bekommen, hat mir dieses Jahr schöner gemacht.

Das Buch ist übrigens

Ein hübsches kleines Ding, oder?

Ich wünsche Euch eine schöne restliche Adventszeit, fröhliche Weihnachten und einen guten Start in ein neues Jahr, in dem hoffentlich wieder viel mehr möglich sein wird. Macht’s gut!



Samstag, 12. Dezember 2020

Noch eine Stunde länger und ich fang an, mich selbst zu siezen

 

Illustration von Daniel Bechthold aus "KLUNGA und die Ghule von Köln"


Gelegentlich wird man als Autor*in mit der Aufgabe betraut, einen kurzen Informationstext über sich zu verfassen, der dann später im Register eines Kurzgeschichtenbandes, oberhalb des Klappentextes eines Romans oder auf einer Website zu stehen kommt. Und je länger da über Formulierungen gebrütet und über sich selbst in der dritten Person geschrieben wird, desto fremder wird man sich, finde ich. Und versucht lockerfluffig gegen die Sinnfrage anzuschreiben: Wen zum Teufel soll das eigentlich interessieren? Und: Benötigen denn ausgerechnet Autor*innen von ausgedachten Geschichten irgendein Image? Wozu? Machen Alter, Geschlecht und biografische Daten und flotte/markige/supercoole/extrasensitive Sprüche jemanden geeigneter oder verzichtbarer beim Interesse an einer Geschichte oder der Kaufentscheidung?

Doch bevor ich marktschreierisch in ein flammendes Plädoyer für „Reading without Prejudice“ ausbreche, will ich mich an die eigene Nase fassen:

Warum scannt mein Katastrophentouristen-Reptiliengehirn beim Lesen von Nachrichten nach biografischen Daten eines Täters und/oder Opfers? Geschlecht, Alter, Beruf, Wohnort (und in den vergangenen Jahren leider auch zum scheinbar unverzichtbaren Bestandteil medialer Berichterstattung geworden: Herkunft und Religionszugehörigkeit). Um mein Leben und mich in Relation zu setzen zu etwas, mit dem ich gar nicht in Verbindung stehe? Und wieso ist es eigentlich interessant für mich, ob etwa ein*e Autor*in Dinge aus erster Hand/Erfahrung weiß oder „lediglich“ gut recherchiert hat?

Die sehr interessante (und oft gestellte, ich weiß) Frage ist: Welche Bewertungen würden wir rauslassen, wenn über den/die Verfasser*in eines Buchs absolut nichts bekannt wäre? Fände ich schön. Aber ich fürchte, daraus wird nichts. Deshalb hab ich ja auch eine Info zu mir geschrieben. In der dritten Person. Ansonsten möchte ich lieber beim ich bleiben. Ihr und ich. Ich und Du. Denn wenn ich auch nur noch eine Stunde länger hier dran hocke, fange ich an, mich selbst zu siezen. Oder mir ausgedachte Adelstitel zu verpassen. Oder eine absurde Erwerbsbiografie.

Mein Vater hat sich früher (wir hatten bis in die 90er Jahre ein schwarzes Bakelit-Post-Telefon mit Wählscheibe, also selbst als es Rufnummernübertragung gab, kamen wir nicht in den Genuss davon) manchmal folgendermaßen gemeldet: „Firma Not und Elend in Köln, was kann ich für Sie tun?“

Ich glaube, das sollte ich ab jetzt auch häufiger mal machen, wenn ich eine Nummer nicht kenne. Und dann rede ich mit dem Anrufer über mich in der dritten Person. Im Plural.


Offizielle Ina-Info


Freitag, 11. Dezember 2020