Samstag, 25. Juni 2022

E.T.A., I.N.A., I.N.G.E. & B.O.R.G.

 Zum 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann



Es wird ja gerne mal von der „Ironie des Schicksals“ gesprochen oder, um es mit Depeche Mode zu sagen, dass Gott einen „sick sense of humor“ hat. Da könnte was dran sein. Warum sonst trifft verstorbene Autor*innen mit schöner Regelmäßigkeit der Fluch, dass genau jene Orte, an welchen ihnen besonders übel mitgespielt wurde oder die ihnen verhasst waren, es sich hartnäckig zur Aufgabe machen, ihr Andenken in besonderer Weise zu wahren, hochzuhalten, und, ja, auch medienwirksam oder monetär auszuschlachten? Während ich diese Zeilen schreibe, findet der alljährliche Wettbewerb „Tage der deutschsprachigen Literatur“ in Klagenfurt statt, vereinfacht Bachmann-Preis genannt. Oder auch „das Wacken des Literaturbetriebs“ wie ich gerade bei Twitter las. Es beinhaltet durchaus einiges an maliziösem Humor, dieses öffentliche Lesen und genüssliche Aburteilen und Hinrichten von Autor*innen ausgerechnet nach Ingeborg Bachmann benannt zu haben, die ja bekanntlich beim Lesen vor der Gruppe 47 mit brüchiger Stimme diversen Ohnmachten nahe war. Und die zu ihrer Kärntner Heimatstadt absolut kein gutes Verhältnis hatte. Ähnlich erging es dem heute vor 200 Jahren verstorbenen E.T.A. Hoffmann mit Bamberg, in dem er seine wohl qualvollsten Jahre verbrachte und von wo aus man ihn mit Schimpf und Schande verjagte: E.T.A. Hoffmann-Haus, E.T.A. Hoffmann-Theater, E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft und sogar ein zum Jubiläum gebrautes E.T.A. Hoffmann-Bier. „Mahrs Bräu E.T.A., Dunkles Lager.“ Dunkel, in der Tat. Finster. Armer E.T.A., der du Bier nachweislich als das „geistloseste Getränk der Welt“ erachtet hast! Wein, Punsch und Sekt, das waren deine hochgeschätzten alkoholischen Sünden. Der Legende nach geht ja sogar die Bezeichnung „Sekt“ für Schaumwein auf eine Begebenheit mit dir und dem Schauspieler Mattausch im Berliner „Lutter & Wegner“ zurück. Aber Schaumschwamm drüber. Wer tot ist, kann sich nicht mehr wehren. Und ähnlich wie der Umstand, dass Geschichte von den Siegern erzählt wird, entscheidet bei Autor*innen posthum die Allgemeinheit darüber, ob und wie es um den Nachruhm bestellt ist. E.T.A. Hoffmann hatte man in Deutschland nach seinem Tod über achtzig Jahre lang quasi vergessen, während seine Werke in anderen Ländern, etwa in Frankreich, als Übersetzungen sehr erfolgreich und einflussreich waren. Hierzulande musste schon jemand wie Thomas Mann Bewunderung für Hoffmann aussprechen, bevor sich Interesse regte. Und auch das … mal ehrlich: Gespenster-Hoffmann bleibt Gespenster-Hoffmann, oder? Das ungeliebte Schmuddelkind des deutschsprachigen Literaturkanons bis heute. Aber ich schweife ab. ‘Tschuldigung. Ich werde immer so emotional bei Hoffmann. Bin halt ein Fangirl. Anlässlich des 200. Todestages wurde ich hin und wieder gefragt, was mir an Hoffmann so gut gefällt. Das Rauschhafte und Mäandernde. Das Fabulieren, bis die Schwarte kracht. Der Schalk im Nacken. Stimmt alles. Aber da ist noch etwas: Hoffmanns Liebe galt, zumindest soweit ich es verstehe, zuvörderst der Musik. Kapellmeister, Komponist, das wollte er sein. Eine einseitige Liebe. Eine, die nie erwidert wurde. Da mochte er seinen dritten Vornamen Wilhelm in Amadeus ändern, die Schicksalsgöttinnen kicherten boshaft bei jeder seiner gigantischen Anstrengungen, die schlussendlich alle ins Leere führten. Ich stelle mir vor, wie Hoffmann im Gegensatz zu seinen bleischweren musikalischen Misserfolgen beim Schreiben wie im Superflow loslassen konnte. Er schrieb schnell und fantastisch, schoss aus der Hüfte und traf immer. Mir gefällt das. Nicht aus Mitleid mit dem ewigen Pechvogel, sondern weil es zeigt, wie wenig dran ist an diesem ganzen Motivationsgeschwätz, dass jede*r ein gestecktes Ziel erreichen kann, wenn er/sie es nur fest genug versucht. Das stimmt nämlich nicht. Manchmal hat das Leben anderes mit uns vor. Das, was wir uns am meisten wünschen, bleibt unerfüllt, anderes fliegt uns einfach durch die Hintertür zu, ohne dass wir uns bemühen müssen. Ich weiß nicht warum, aber dieser Gedanke sagt mir zu. Weil er bedeutet, dass nichts festgeschrieben steht, dass Wege verschlungen sind und sich Glück an absonderlichen Orten einstellen kann. Das von mir gescholtene dummbienenstockartige „Kollektiv“, das posthum mit Autor*innen macht, was es will, ist ja zum Glück für den/die einzelne*n egal. Jede*r, also auch ich, darf sich ein Bild vom hochgeschätzten Idol machen und im Herzen tragen. Gut, gell? Ich musste das bloß ein bisschen überbetonen, weil sonst die Borg in „E.T.A., I.N.A., I.N.G.E. & B.O.R.G“ gefehlt hätten. In diesem Sinne: Resistance is futile. Lest E.T.A. Hoffmann! In diesem Jahr oder in einem anderen der 200 folgenden.

Dienstag, 7. Juni 2022

Eine Party für E.T.A. Hoffmann...

 ... und mich. Mit dem Ensemble des Schlosstheater Moers. Und mir. Andreas Giesbert war da und hat für den Lovecrafter darüber geschrieben. Hach, schön war's!


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