Welcome
to Hell … ’s Museum
sagte die Dame am Empfangstresen des Höllenmuseums in
Singapur und obwohl ich ja repetitive Phrasen aus meinem eigenen Broterwerb leidvoll
kenne, war ich trotzdem spontan neidisch und dachte: Boah, das würde ich auch
gern mal zu jedem Gast sagen, der das Haus betritt, in dem ich mich als
Kartenkontrolleuse verdingt habe. Das hätte ich nie über, glaube ich.
Mein Besuch in dem großartigen Museum zu „Visions of
Death and the Afterlife“ hatte neben touristischer Vergnügungssucht auch Recherchegründe:
Tobias Reckermann hat – zum letzten Mal, wie er hartnäckig behauptet, ich hoffe
aber inständig, dass er seine Meinung noch ändern wird – zu einem
Anthologieprojekt für seinen White/Nighttrain aufgerufen. „Hellbound“ lautet
das Thema.
Also nichts wie hinein zu den zehn
Gerichtshöfe der Hölle, in dem anhand von Dioramen der bürokratischen Seite des
Nachlebens gehuldigt wird. Welche Strafe auf welches Vergehen steht wird äußerst
plastisch dargestellt, die zuständigen Gerichtshöfe folgen einem strikten
Zeitplan.
Sieben Tage nach dem Ableben ihres ehemaligen Besitzers
landet die arme Seele vor König Qinguang und dem ersten Gerichtshof. Hier entscheidet sich, ob es
(nur für virtuos souls!) über die Goldene Brücke geht, oder ob im Falle
irdischer Sünden der Weg zu den weiteren Gerichtshöfen beschritten werden muss.
Man ahnt vermutlich, wie die Sache hier ausgeht.
Am Spieß geröstet zu werden, ist übrigens eine der leichteren Bestrafungen. Zweiter Gerichtshof, 14 Tage nach dem Tod, Vergehen: Körperverletzung, Betrug, Raub, Korruption, Diebstahl, Glücksspiel, Prostitution.
21 Tage nach dem Ableben, dritter Gerichtshof, König Songdi, Vergehen: Undank, mangelnder Respekt gegenüber Älteren, Flucht aus dem Gefängnis, Drogensucht, Grabräubertum, Strafe: Aufschlitzen des Brustkorbs und Entnahme des Herzens.
Ein Jahr nach dem Tod hält hier König Dushi das neunte Gericht. Vergehen: z.B. Mord, Strafe: Kopf und Arme werden abgetrennt.
Bewacht wird der Eingang des Tunnels von zwei überlebensgroßen Figuren mit
menschlichen Körpern, auf denen einmal ein Ochsenkopf und einmal ein
Pferdegesicht sitzen. Diese beiden Kreaturen haben es mir besonders angetan und
sind Bestandteil der Geschichte, an der ich gerade schreibe. „Rosemary’s
Scabies“ lautet der Arbeitstitel. Seit längerer Zeit
macht mir das Arbeiten richtig Spaß, vermutlich vor allem deshalb, weil es mir diesmal
endlich wieder vergleichsweise leicht von der Hand geht.
Das Hell’s Museum befindet sich übrigens auf dem Gelände
der Haw Par Villa, einem weitläufigen Gelände, auf dem es die unglaublichsten,
extrem verrückten und skurrilen Figuren und Dioramen zu bestaunen gibt. Es
seiner Einzigartigkeit gerecht werdend beschreiben zu wollen, bedürfte größeren
erzählerischen Talents als meinem. Ihr müsst also selbst mal hin, wenn ihr in
der Nähe seid. Das müsst ihr mir versprechen! Abgemacht?
Nicht mal die Mitarbeiterin des Museums konnte weiterhelfen, worum es sich hierbei handelt. Und genau das macht den Zauber von vielen Dioramen auf dem Gelände der Haw Par Villa aus. Die Kaninchen sind vermutlich die Bösen und die Ratten verfügen über ein gutes Sanitäswesen. Was es bedeutet? Entscheidet selbst.
So, ich schreibe jetzt mal weiter an meiner Rosemary – habe
seit Tagen einen Ohrwurm von Hubert Kah, Tanz bitte tanze tanze tanze mit mir,
Rosemarie, duhu nur du, gern geschehen, den teile ich gern mit euch – und wenn
es so weit ist und der White/Nighttrain sein (hoffentlich nicht!!!) letztes
Druckerzeugnis herausbringt, sage ich natürlich Bescheid.